Ein Erfahrungsbericht von Lea Brausch (Lehrerin an der Schule am Limberg, Wallerfangen)
Hashtags sind mittlerweile weitestgehend bekannt und ein Hashtag, der meinen Unterrichtsalltag in den letzten Jahren am meisten beeinflusst hat, ist sicherlich #twlz auf Twitter. Diese Buchstabenkombination steht für das „Twitterlehrerzimmer“ (oder Twitterlehrkräftezimmer) und wird hauptsächlich von Lehrpersonen, aber auch von Eltern verwendet, um auf Twitter über Schule, Unterricht, Didaktik und Pädagogik zu sprechen.
Aber warum hat es mich so stark beeinflusst? Das ist am besten zu verstehen, wenn ich erzähle, warum und wie ich zu Twitter kam.
Nach meiner Elternzeit zog 2014 in unsere Schule ein Whiteboard ein und es kamen neue Kolleg:innen, die mir digital einige Schritte voraus waren – sie machten ihre Vorbereitungen auf iPad oder Surface, verwendeten beides im Unterricht und erzählten von Twitter. Ich war diesen „Neuen Medien“ gegenüber sehr aufgeschlossen und sah darin für mich und meinen Unterricht großes Potential. Ich war begeistert, was alles möglich ist, und hatte Blut geleckt. Also unterstützte ich den Antrag unserer Schule, eine Medienschule zu werden, und arbeitete mich in Konzepte sowie Ideen ein. Im Rahmen dessen tauchte immer wieder dieses mysteriöse Twitterlehrerzimmer auf und irgendwann wagte ich den Schritt zu Twitter.
Vom Mitlesen zum Mitmachen
Im ersten Moment war ich absolut überfordert. Ich kannte bis dahin andere soziale Medien, aber Twitter funktioniert noch einmal anders und ich war erschlagen von der Vielzahl der Einträge unter dem Hashtag #twlz. Es schien alles unstrukturiert, wimmelte von Abkürzungen, teilweise hatte ich das Gefühl, dass sich alle schon ewig kennen.
Aber langsam tastete ich mich heran – zuerst nur lesend und dann auch immer mal wieder mit kleinen Posts. Ich verstand, wie die Kommunikation in diesem Netzwerk funktioniert. Geholfen haben mir dabei vor allem die vielen netten Menschen auf Twitter, die immer bereit dazu sind, ihr Wissen zu teilen, Neue willkommen zu heißen und Erklärungen zu geben.
Twitter wäre aber nicht Twitter, wenn es nicht hin und wieder auch zu typischen Auswüchsen sozialer Medien käme: Jede:r sucht sich seine/ihre Bubble (eine eigene Blase, in der man sich wohl fühlt, weil dort ähnliche Ideen und Gedanken verfolgt werden) und dann bricht alle paar Wochen wieder eine Diskussion über didaktische, pädagogische Ansichten, Umgang und Einsatz digitaler Medien und Tools in der Schule oder, oder, oder auf. Ich lehne mich dann meistens gemütlich zurück, lasse die anderen diskutieren und denke mir meinen Teil. Bisher bin ich damit gut gefahren, aber es ist klar, dass man eher ins Kreuzfeuer gerät, wenn man aktiv postet und sich beteiligt.
Unabhängig der Diskussionen ist aber eine große Bereitschaft unter den aktiven Lehrkräften des #twlz zum Teilen von Ideen und Material vorhanden. Auch fachwissenschaftliche Beiträge bzw. Diskurse, die ich vermutlich so unmittelbar nie wahrgenommen hätte, konnte ich jetzt verfolgen. Super ist auch, dass Fragen schnell beantwortet werden: Ich wollte z. B. wissen, mit welchem Tool ich mit Schüler:innen Ideen sammeln kann, und postete diese Frage unter dem Hashtag #twlz. Es verging nur eine kurze Zeit, bis ich mehrere Antworten erhalten hatte und mir das richtige Tool aussuchen konnte.
Gegenseitige Unterstützung finden
Als Corona und der Lockdown kamen, explodierte das Twitterlehrerzimmer förmlich. Man fand Ideen für Distanzunterricht, Tipps und Tricks zur Durchführung und für mich ein weiteres großes Plus: Es gab viele, die sich mit Moodle auskannten. Wir waren damals eine der ersten Schulen, die sich für die Online-Schule Saarland entschieden hatte, und ich war bereit Schulmanagerin zu werden. Mir war klar, dass das für mich neben organisatorischer Arbeit auch bedeutet, dass meine Kurse gut sein sollten und nicht nur pdf-Ablage-Plätze. Dabei stieß ich auf eine Gruppe von Menschen, die sich wöchentlich zu einer Videokonferenz trafen: dem #moodlemeeting1. Dort konnte ich meine Anfänger-Fragen zu Moodle loswerden, aber auch viele großartige Dinge sehen, die andere in ihren Kursen auf die Beine stellten. Ich lernte Kolleg:innen aus ganz Deutschland, Luxemburg, Österreich und der Schweiz kennen, denen Moodle am Herzen liegt.
Mittlerweile gibt es eine ganze Gruppe von Menschen, die sich zur #moodlebande zählen und ständig neue Ideen zeigen, was mit Moodle alles machbar ist. Die Frage muss nämlich immer heißen: „Wie geht das mit Moodle?“ (und nicht „Geht das auch in Moodle?“). Jeden Donnerstagabend ist jeder herzlich eingeladen sich über BigBlueButton einzuwählen – den Link zum Raum findet man natürlich über Twitter unter dem Hashtag #moodlemeeting.
Lernen im #twlz
Daneben entdeckte ich das Format der Online-Barcamps für mich. Diese bieten in einer kurzen Zeit viele Informationen und Möglichkeiten zum Austausch mit Lehrkräften und Didaktiker:innen aus ganz Deutschland. Der Blick über den Tellerrand meines eigenen Bundeslandes hinaus ist und bleibt spannend. Das betrifft den Umgang mit Corona in den einzelnen Ländern, aber auch die Vorgehensweise bei Prüfungen und Klassenarbeiten. Viele Diskussionen zu einer veränderten Prüfungskultur werden auf Twitter geführt und immer mehr begegnen sie mir nun auch in Fortbildungen, Vorträgen etc.
Ich bin sehr froh, dass wir im Saarland mit unserem Leistungserlass weit vorne liegen, was eine neue Prüfungskultur angeht. Während Kolleg:innen in anderen Bundesländern immer noch überlegen müssen, wie sie kompetenzorientierte, freiere Projektarbeiten als Klassenarbeiten durchführen und bewerten können, ohne mit Vorgaben in Konflikt zu geraten, gibt es bei uns durch die alternativen großen Leistungsnachweise einen erheblichen Spielraum, den ich – inspiriert durch das Twitterlehrerzimmer – gerne nutze. So haben meine Schüler:innen im Fach Deutsch z. B. eine Spielanleitung nicht nur schriftlich fixiert, sondern auch ein Erklärvideo mit Keynote dazu erstellt. Dass dies möglich ist und vor allem, wie ich das sinnvoll bewerte, habe ich im Twitterlehrerzimmer gelernt.
Über eigene Erfahrungen schreiben
Damit bin ich schon beim nächsten Hashtag, den man auf Twitter nicht verpassen sollte: dem #wowdw (= Wow der Woche). Nach den ersten Phasen des Distanzunterrichts und dem vielen Hin und Her in den einzelnen Bundesländern, war auch auf Twitter relativ viel Gejammer und Gemecker zu lesen. Der Fokus hatte sich unmerklich etwas verschoben und so kam die Idee auf, dem durch ein neues Hashtag entgegenzuwirken. Immer freitags teilen nun Kolleg:innen unter #wowdw ein persönliches Highlight – das können Ergebnisse von Schüler:innen sein, verwendete Methoden oder auch einfach nur eine nette Begegnung, die kurz geschildert wird.
Seit Kurzem gibt es auch das Gegenteil das #maudw – alles, was eher so mau in Schule und Unterricht gelaufen ist. Auch das ist spannend, wenn man sieht, dass die Kolleg:innen überall mit den gleichen Schwierigkeiten kämpfen.
Alles in allem ist das #twlz für mich eine große Bereicherung und für mich die beste dauerhafte Fortbildungsveranstaltung, die ich mir vorstellen kann.
Anmerkungen:
1 Das #moodlemeeting ist eine regelmäßig angebotene, offene BBB-Videokonferenz der Georg-August-Zinn-Schule in Reichelsheim (Hessen) zum Thema Moodle.
Informationen zu Twitter:
Twitter ist eine US-amerikanische Social Media-Plattform, in der weltweit mehr als 350 Mio., in Deutschland mehr als 10 Mio. Nutzer:innen angemeldet sind.
Man muss sich registrieren und kann dann starten. Im Vorfeld sollte man sich überlegen, ob man sich mit Klarnamen oder einem Pseudonym anmeldet, da alles auf Twitter öffentlich ist. Beides bietet Vor- und Nachteile, die jede:r für sich persönlich abwägen sollte.
Autorin:
Lea Brausch unterrichtet an der Schule am Limberg, Wallerfangen die Fächer Deutsch und Musik. Außerdem ist sie Netzwerkkoordinatorin im Projekt für individualisiertes Lernen (ProfIL) der Gemeinschaftsschulen, Fachbereich Deutsch. Sie unterstützt auch die digitalen pädagogischen Tage des LPM.
Anmerkung der Redaktion
Dieser Blog beinhaltet sowohl Blogposts, die vom Redaktionsteam der Seite Online-Schule Saarland verfasst wurden, als auch Beiträge von Gastautor:innen (z.B. Lehrkräften oder Schüler:innen), die wertvolle Einblicke in ihre Arbeit, Schulprojekte oder ihren Umgang mit Themen der Digitalisierung schildern. Die Redaktion weist darauf hin, dass Blogbeiträge, die von Gastautor:innen geschrieben werden, persönliche Meinungen beinhalten. Diese spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber des Blogs (LPM und MBK) wider.